"Ohnmächtige Weiber, kümmerliche Personen" - Vor 200 Jahren begann der Bau einer Straße, die #Harburg #Tostedt bis heute wesentlich prägt: Die Bremer Straße. Der Auftraggeber: Napoleon Bonaparte.

Die Bremer Straße ist eine Kunststraße. Nicht weil ihr Bau der Kunst dienen sollte - das wäre weit gefehlt - sondern, weil sie am Reißbrett geplant wurde. Von der Harburger Innenstadt an (der Beginn liegt jetzt in der Fußgängerzone, wo sich die Skulptur "Drei mögliche Denkmäler" befindet) steigt sie gleichmäßig bis Appelbüttel an. Die alten Naturstraße dagegen passte sich den Geländeformen an.

Um den Bau zu ermöglichen, wurden die Bürger aus Harburg und dem Landkreis zur Zwangsarbeit verpflichtet. Ging die Trasse über Privatgrundstücke, wurde rigoros enteignet. Bereits im März 1811 teilte der zum Oberingenieur beim Straßenbau bestellte Oberdeichgraf Kehrer dem Magistrat mit, "dass die Vermessung und Grundlegung der neuen Chaussee von Tostedt nach Harburg so weit gefördert ist, dass auch der Anschluss derselben an die Stadt bewerkstelligt werden kann."

Am 23. März hatten sich die Grundbesitzer bei der Graupenmühle einzufinden. Dort wurde ihnen mitgeteilt, was von ihren Ländereien für den Bau benötigt wurde. Dabei verlor zum Beispiel Peter Strube mehr als neun Morgen Land. Andere kamen mit ein, zwei oder drei Morgen davon.

Am 4. April wurde veröffentlicht, wie sich die französische Verwaltung die Arbeitsleitungen und deren Bezahlung vorstellte.

So sollten auf der Gesamtstrecke zwischen Elbe und Rhein ständig 4000 Arbeiter beschäftigt sein. Bis zu einem Zehntel durften auch Frauen beschäftigt werden, Kinder unter 16 Jahren wurden lediglich zum Sammeln und Auflesen von Steinen eingesetzt.

Aus Harburg sollten 300 Mann tätig werden, aus Lauenbruch 90, aus Eißendorf 50, aus Nenndorf, Leversen und Klecken insgesamt 170 Mann. Diesen wurden später 50 aus Lindhorst zugeordnet.

Zunächst scheint die Arbeit zügig vorangegangen sein, denn bereits am 13. April hatten die Harburger 592 Meter mit rund 4500 Kubikmetern geschafft. Die Bezahlung durch die Franzosen war allerdings äußerst mangelhaft, so dass entweder die Stadt einspringen musste oder die Arbeiter sehr enttäuscht waren.

Die Euphorie über den Baufortschritt war indes von kurzer Dauer. Denn am 16. April traten statt 300 Harburger nur noch 121 an, am 2. Mai sogar weniger als 100. Es kamen überwiegend Frauen und Kinder, auch ein planmäßig vorgesehener Vorsteher war weit und breit nicht mehr zu sehen. Der Maire (Bürgermeister) von Lauenbruch zeigte an, dass es in der ganzen Gemeinde kaum 90 Personen gäbe, die die geforderten Leitungen erbringen könnten. Und wenn nicht Landbau und Milchhandel erliegen sollten, könnten höchstens 20 Personen gestellt werden. Ähnlich war die Lage in Harburg. Die 300 geforderten Personen seien zwar vorhanden, erklärte Bürgermeister Hansing. Aber dabei handele es sich um Handwerker und Geschäftsleute, deren eigentliche Arbeit dann nicht gemacht werden könne. Hansing machte den Vorschlag, jeder Gemeinde den zu bauenden Teil endgültig zuzuweisen, dann würde diese durch engagierte Arbeiter für die Fertigstellung sorgen.

Als Folge dieses Vorschlags wurde der von Harburg zu bauende Abschnitt zunächst um 700 Meter erweitert, dann kamen noch einmal 1500 Meter vor Appelbüttel dazu. Außerdem wurden Geldstrafen und militärische Bestrafungen angedroht, falls weiter "Kinder, ohnmächtige Weiber und kümmerliche Personen" geschickt würden.

Die Stadt Harburg geriet durch den Bau und die damit verbundenen Abgaben in eine finanzielle Krise. Erst im Juli kam der Bau richtig in Schwung. Harburg hatte den Unternehmer Flügge mit der Durchführung beauftragt, der so viele Arbeiter rekrutierte, dass der leitende Ingenieur zum ersten Mal mit der Arbeit zufrieden war.

Die Geldsorgen war Harburg damit nicht los.

Quelle: http://www.han-online.de/Harburg-Stadt/article61546/Ohnmaechtige-Weiber-kuemmerliche-Personen.html

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