Der Preis der Billig-Friseure, Antwort von Thomas Breitenmoser


Der Preis der Billig-Friseure, das der Titel eines Artikels über
die Hair Group, von Ann-Kristin Schöne, Journalistin für
CORRECTIV
Antwort von Thomas Breitenmoser

Sehr geehrte Ann-Katrin Schöne
CORRECTIV steht für „aufklärenden Journalismus“. „Wir recherchieren in solchen
Themenfeldern, in denen wir vermuten, dass etwas im Argen liegt und wir mit unseren
Recherchen Veränderungen anstoßen können.“
Das finde ich ganz toll und möchte Ihnen zusätzlich Einblick in die Hair Group geben.
1. In Ihrem Artikel wird der Hair Group unterstellt, als Geschäftsmodel, die in der
Handwerksverordnung vorgeschriebene Besetzung eines jeden Salons mit
einem/r Meister/in zu umgehen und damit das große Geld zu verdienen.
2. Betrügerischen Umgang mit den Arbeitszeiten der Mitarbeiter/innen
3.„Mit solchen Umsatzvorgaben wird das Wirtschaftsrisiko auf den Arbeitnehmer
abgewälzt, was falsch ist. Der Arbeitnehmer schuldet nie den Erfolg.“ Aussage
eines Fachanwaltes für Arbeitsrecht!?
Mit Leidenschaft bin ich mein ganzes Leben Friseur. Meinen Gesellenbrief erhielt ich
1976. Seitdem arbeite ich in der Branche im In- und Ausland. Bei der Hair Group bin
ich jetzt seit 17 Jahren. Mal erfolgreicher, mal weniger und immer noch mit
Überzeugung und viel Spaß dabei.
Zu 1. Da hätte die Frage geholfen: Wieso kann so ein „Branchenriese“ die
Meisterstellen nicht immer schnell genug besetzten?
Antwort: Es sind ganz einfach zu wenige Meister/innen auf dem Arbeitsmarkt. Das
Ganze ist weder ein Geschäftsmodel noch ein Problem des „Branchenriesen“,
sondern ein Branchenproblem. Laut dem Zentralverband des deutschen Handwerks
absolvieren jährlich rund 2000 Friseure/innen die Meisterausbildung. 2500-3000
Salons schließen pro Jahr und etwa gleich viele werden eröffnet. Ein großer Teil
besucht die Meisterschule mit dem Ziel der Selbständigkeit und begibt sich auch in
die Selbständigkeit. Ein (leider zu kleiner) Teil arbeitet danach bei Filialisten wie der
Hair Group. Die übrigen arbeiten in der Schattenwirtschaft oder schwarz. Bewirbt
sich aus dieser Gruppe jemand, muss auch ein „Branchenriese“ passen. Durch die
Sozialleistungen des Staates, dazu ein 450.--€ Job plus Schwarzgeld kommt jemand
locker auf 2500.-- bis 3000.-- netto. Das bedeutete Bruttogehälter von 4500.-- bis
6000.-- €. Soviel Luft hat dann auch der Branchenriese nicht. Es lohnt sich wirklich
nicht, wegen einigen hundert Euro, gegen die Handwerksordnung zu verstoßen,
geschweige denn, darauf ein Geschäftsmodell aufzubauen. Ebenso kann ich
Entwarnung dafür geben, dass Mitarbeiter der Hair Group Zusatzaufgaben
unentgeltlich erledigen. Erstens würden sie es mit Recht verweigern und zweitens ist
es weder gewollt, erlaubt, noch wird es gelebt.
Zu 2. Es kommt vor, dass Mitarbeiter/innen in außerordentlichen Situationen
(Krankheit, Urlaub) auch Überstunden leisten. Es kommt ebenfalls vor, dass in den
gleichen Situationen Mitarbeiter/innen in einem anderen Salon eingesetzt werden.
Glauben Sie im Ernst, dass die Hair Group das einfordern kann oder will, ohne die
Einsicht des Mitarbeiters in die Notwendigkeit? Glaubt sonst jemand, die Hair Group
könne das ohne Freizeitausgleich oder Auszahlung einfordern?
4200 Mitarbeiter können bestätigen, dass diese Anschuldigungen nichts mit der
Realität zu tun haben.
Es kommt auch zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitarbeitern/innen und
Vorgesetzten in der Hair Group. Passiert mir häufig. Es kommt auch vor, dass trotz
aller Einigungsbemühungen eine/r der Beteiligten etwas nicht „gerecht“ empfindet. Ist
mir auch schon passiert. Das ist menschlich. Es kommt auch vor, dass Mitarbeiter/
innen Schwierigkeiten haben, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen und
dafür das Unternehmen als das Problem sehen. So ein „Branchenriese“ verfügt doch
über unbegrenzte Ressourcen! Wie kann es da passieren, dass zwar die meisten
aber doch nicht ganz alle glücklich sind?
Nun, Sie haben drei Mitarbeiter gefunden die sich über das Unternehmen
beschweren. Sie müssen zum Schutz anonym bleiben, als handelte es sich um
Kronzeugen eines internationalen Mafiaprozesses. Auch gut. Das Unternehmen
jedoch nennen Sie namentlich, stellen es an den Pranger und erheben
schwerwiegende, jederzeit einklagbare Anschuldigungen. Da fragt man sich…?
Zu 3.
Ja, die Hair Group setzt sich qualitative und quantitative Ziele. Das wird einerseits
den gesetzlichen Pflichten geschuldet und andererseits sind es Orientierungshilfen
für die einzelnen Salons und die Mitarbeiter/innen. Am Ende muss leider so etwas
Verwerfliches wie ein Gewinn stehen. Gelingt manchmal. Solange der Kapitalismus
noch nicht überwunden ist, wird sich das Unternehmen weiter an die Spielregeln des
Marktes halten müssen und dazu gehört, besondere Leistungen über das
Grundgehalt hinaus zusätzlich zu belohnen. Wie daraus abgeleitet werden kann,
dass dadurch „das Wirtschaftsrisiko auf den Arbeitnehmer abgewälzt wird“ ist mir ein
Rätsel. Verstehe ich wirklich nicht, aber das liegt bestimmt an meinem Friseur-IQ. Ich
bitte da um Nachsicht.
Himmlische Zeiten sehe ich auf die Branche zukommen, wenn sie, im Vergleich zu
CORRECTIV, von ihren antiquierten Geschäftsmodellen wegkommen und sich so ein
modernes Model wie CORRECTIV zulegen. „Gemeinnützige GmbH“. Im
Gesellschaftsvertrag bringt man einige Paragraphen aus dem Vereinsrecht unter, vor
allem was die Rechnungslegung und Gemeinnützigkeit betrifft. Für die
Leitungsstruktur und zur Festlegung des Geschäftsführergehaltes, sowie die Löhne
für die vorgesehenen Mitarbeiter/innen eignen sich Bestanteile des GmbH Gesetztes
besser. Braucht man nur noch Stiftungsgelder, staatliche Zuschüsse und genügend
Privatpersonen die an die Gemeinnützigkeit glauben und kräftig spenden.
Selbstverständlich werden dann alle Dienstleistungen kostenlos angeboten. Wenn
das nicht gemeinnützig ist. Als positiver Nebeneffekt würde der Schwarzmarkt
verschwinden. Ein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnet sich bei der Umsetzung des
Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Da könnten nicht gesinnungskonforme Bilder von
Haarschnitten, Frisuren und Farbergebnisse bei Facebook, gelöscht werden. Das
Schönste? Endlich könnten Friseure dann auch mit, wir sind „…nicht
gewinnorientiert“, werben. Es hat so etwas …, ja, gutmenschliches an sich. Sie
glauben nicht wie stolz mich das machen würde.

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